Spitze Steine und koschere Plastikteller.

Für den Abschluss unserer Kambodscha Reise haben wir uns eine sehr entlegene Provinz im Nordosten des Landes ausgesucht, die touristisch noch relativ unerschlossen ist und aufgrund ihrer schönen Natur als kleiner Geheimtipp gilt: Ratanakiri! Dort kann einem auch schon mal ein Elefant über den Weg laufen.

IMG_1544

Wir fahren mit dem Motorrad die Umgebung ab, baden in einem Kratersee, beschauen kitschige Tempel und ein paar Wasserfälle. Man muss hier für jeden Wasserfall bezahlen, obwohl der Wasserfall keinem gehört. Macht man das nicht, zieht eine alte Muddi oder ein schlacksiger kleiner Mann an einem Seil und versperrt einem den Weg, so viel zum „Tourismus in den Kinderschuhen“. Harrharr!

Die Straßen abseits der National Road sind übrigens so rot und staubig, dass es so aussieht, als wären Pflanzen, Häuser, Restaurants und Stühle, Kind und Kegel von einer Bronzeschicht überzogen worden. Ganz schön ungesund, das spüren wir schon nach nur 2 Tagen in dieser Luft.

IMG_1514

Umso mehr ein Grund unsere Lungen im Dschungel und im Bambuswald auszudünsten. Wir machen ein dreitägiges Trekking und spüren in den Knochen, dass unsere letzten Ausflüge dieser Art schon viel zu lange zurück liegen. Umso besser schmeckt das Essen, das unsere beiden fidelen Begleiter, alias „Guide“ und „Ranger“, aus ganz wenigen Zutaten zaubern. Manchmal fangen sie noch ein paar kleine Fische dazu, es kann aber auch mal ein Frosch werden.

IMG_1628

IMG_1650

Wir wandern zusammen mit einem Israeli und zwei israelischen Mädels, wobei letztere streng gläubig sind. Unser Fleisch/Fisch ist für die beiden natürlich Tabu (weil nicht koscher) ihr Gemüse muss im Fluss „in a special way“ gewaschen werden und ihr Essen dürfen sie nur von den eigens mitgetragenen Plastiktellern essen. Wir sind ja tolerant, aber freuen uns auch ein bisschen, dass die beiden nur eine Zweitagestour gebucht haben, zumal man sie nicht unbedingt als gesprächig bezeichnen würde. Und so verbringen wir unsere erste Nacht alle nebeneinander baumelnd in der Hängematte an einem schönen Wasserfall. Henni kracht dabei ständig gegen mich und versucht sich vergebens in eine Position zu winden, in der ihr Hintern nicht auf dem spitzen Felsen unter ihr aufliegt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Die zweite Nacht sind wir wieder alleine und schlafen in einem kleinen entlegenen Dorf bei einer Familie mit +/- zehn Kindern. Schlafraum, Küche, Aufenthaltsraum sind in dem Stelzenhaus alles in einem, aus Platzgründen sind überall Hängematten aufgespannt und auch wenn ein paar Kinder schon ausgezogen sind, mangelt es nicht an anderen Schlafgästen. Besucher und ihre Kinder, Schwager, Neffen, Cousinen… das ganze Programm, zumal gerade Reiserntefest ist und da besuchen und betrinken sich die Leute gerne.

IMG_1726

Die Dorfbewohner gehören einer (Stammes-)Minderheit an, die räumlich, politisch und sozial von den Khmer (Kambodschanern) abgeschnitten sind. Sie leben in großer Armut, Kinder sind im Grunde von dem Moment an, wo sie laufen können auf sich selbst oder ihre älteren Geschwister angewiesen. Da büchst schon mal eins aus und jene, die noch nicht trocken sind, tragen erst gar keine Hosen.

IMG_1610

IMG_1772

Für gewöhnlich schlafen die Menschen in der Kleidung, die sie am Vortag trugen und die lassen sie auch nach dem Aufstehen an – gewechselt wird nur nach einer Waschsession im Fluss. Die beständig wachsenden Familien versuchen mit dem, was bei der Reisernte übrig bleibt, etwas Geld zu machen, doch viel ist das nicht. Ihr Leben ist geprägt vom Aber- und Geisterglauben, noch immer gibt es viele Feiern und Riten zu Ehren der Ahnen, Dschungel- und Dorfgeister. Im gesamten Ort gibt es keinen Strom und nur einen generatorbetriebenen Fernseher, vor dem sich abends ein paar Leute versammeln.
Unter diesen Umständen, fühlt sich die Gastfreundschaft um so schöner an, die wir über dem dampfenden Reiskorb und im Schein der flackernden Kopflampen erfahren.

Am nächsten Morgen, noch etwas gerädert von der zweiten Nacht in der Hängematte und der ganz normalen Geräuschkulisse von zwölf Personen und drei Generationen in einem Raum, erfüllt uns das Leuchten der weiten Reisfelder in der Morgensonne und die hinterweltlich-friedliche Dorfidylle mit einer ganz unverblühmten Form von Demut und Bewunderung, Glück und … Kaffeedurst! Der selbst im entlegenen Ratanakiri, hinter dem Reisfeld rechts und dem ausgetrockneten Flussbett links, mit – immerhin – Instant-Kaffee gestillt werden konnte.

IMG_1608

(Romy)

Hinterlasse einen Kommentar