Glückssache

Mit unserer holländischen Couchsurfer-Hosterin Leonie haben wir einige Tage in Chiang Mai, dem Herzen Nordthailands, verbracht. Sie zeigte uns einen alten buddhistischen Tempel in der Dämmerung, den fantastischen Nachtmarkt und mit ihr aßen wir das beste Frühstück seit unserer bisherigen Reise (mit Käse!). Was uns aber wahrhaftig bewegt hat, war der Besuch in einem Waisenhaus, welches Leonie regelmäßig besucht.

Bestückt mit 6×1 Liter Packungen Eis, Früchten und einem vorfreudig-mulmigen Gefühl wurden wir mit offen Armen und großen Kinderaugen empfangen. Nichts rührt einen mehr als diese zarten Wesen, wie sie zur Begrüßung ihren Kopf neigen und ihre Hände ehrerbietig zum Wai vorm Gesicht falten (je höher die Handhaltung am Gesicht, desto größer der Respekt der dem gegenüber damit erbracht wird).

Dann die Aufteilung der Eisportionen. Circa 15 silberne Becher werden uns entgegengestreckt. Jedes Kind zeigt schüchtern auf seine Lieblingssorte. Es wird nicht gedrängelt, doch die Vorfreude steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Diese Kinder im Alter zwischen 4 und 12 Jahren, haben ernste Mienen, sind zurückhaltend, artig und in ungestörten Momenten natürlich auch herrlich verspielt und ungestüm laut. Während unseres dreistündigen Aufenthaltes erfahren wir auch die Schicksale die hinter den niedlichen Gesichtern stecken. Drogensüchtige Eltern. Armut und Hunger. Prügel. Verwahrlosung. Wir können uns nur ansatzweise das Leid vorstellen, dass ihnen widerfahren ist.

Das Ehepaar, dass jedes einzelne Kind aus seinen Verhältnissen gerettet hat, schafft ihnen hier ein neues zuhause und bietet familiäre Geborgenheit – selbstlos und aus purer Herzlichkeit. Sie sind auf Spenden angewiesen, damit jedem Einzelnen auch eine Schulbildung ermöglicht werden kann. Adoption ist ausgeschlossen, damit keines der Kinder erneut aus seinem Umfeld gerissen wird. Angesichts dieser intakten Gemeinschaft, haben die Kinder die Chance auf eine Ausbildung und ein nahezu normales Leben. Dieses Wissen und der Ausschnitt ihres Alltages, den wir beim gemeinsamen Essen und Spielen miterleben durften, lösten die Anspannung, die wir noch vor unserem Besuch empfanden.

Dieser Tage sind wir viel in Gedanken, haben einen Gang zurück geschaltet und nehmen uns Zeit zu reflektieren. Dieses Paradies hat seine Schattenseiten und blickt man hinter die Kulissen sieht man das knallharte Leben, das die weißen Farangs mit ihren Spiegelreflexkameras, Rollköfferchen und fetten Geldbörsen begaffen. Wir fühlen uns manchmal fehl am Platz. Oft stehen wir nur daneben, können nur beobachten und versuchen, uns das Erlebte für die eigenen Lebensentwürfe zu Herzen zu nehmen. Zufriedenheit, Besitz, Gesundheit, Kreativität, Geld, Hygiene – das alles erhält im Spiegel der thailändischen Realität eine neue Bedeutung.

In kurzen Augenblicken, wie solchen im Waisenhaus, als ich mit drei kleinen Jungs Luftballon-Fussball spiele und Romy mit einem Mädchen das lateinischen Alphabet übt, kann man kurzes unbeschwertes Glück gemeinsam teilen. Glück hat so viele Facetten. Es ist das was wir daraus machen.


(Henni)

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