Stadtflucht

Es regnet lange, graue Bindfäden als wir in Kuala Lumpur ankommen. Die letzte Station in Malaysia. Eine ziemlich große Stadt. Etwas ungewohnt, da wir doch immer häufiger Stadtflucht begehen. Und da wagt man sich mal wieder in betoniertes Terrain und dann so eine Begrüßung. Nicht nett. Doch nachdem sich eine junge Inderin neben mir die gesamte Strecke von den Cameron Highlands – kurvenreich ist dabei eine Untertreibung – durch die nachmittägliche Rush Hour bis zum zentralen Bahnhof den Magen unter lauten Luft-Rülpsgeräuschen mindestens fünffach leergekotzt hatte, waren wir bereit für die Ankunft. Einfach ankommen, egal wo. In Chinatown gibt’s die billigsten Hotels. Wie praktisch, da sind wir eh gerade. Dass wir dabei in einem kleinen Absteiger-/Aussteiger-/Umsteiger-/Weg- und Hängenbleiber-/Sucher-/Versacker- und Weitersucher-Hostel landen ist Zufall. Da lungern viele Leute mit unterschiedlichen Ideen und mehr oder weniger viel Leuchten in den Augen. Es gibt Kaffee und Tee, einen großen Tisch und viele Sofas. Es geht sehr herzlich zu. Wir gehören zu den wenigen Leuten, die nur drei Nächte bleiben, die meisten „wohnen“ da für unbestimmte Zeit oder länger oder kommen jedes Wochenende – irgendwie gehört fast jeder zum Inventar.

EINSCHUB: Durch ein kurzes unverhofftes Wiedersehen mit den Spaniern haben wir nun auch deren Scooter. Da sich der Käufer, alias Indiana-Jones (siehe „Superlatives Malaysia“), um zwei Tage verspätet, die Jungs aber abfliegen müssen, haben wir ihnen versprochen, den Verkauf zu übernehmen. Dafür bekommen wir den Scooter noch übers Wochenende. Feiner Deal. Und wer hätte gedacht, dass wir den zotteligen Guide aus den Cameron Highlands nochmal wiedersehen.

Ein Amerikaner, der nicht gerne zugibt, dass er einer ist, gibt uns den Tipp mal zum Templer Park zu fahren, der außerhalb der Stadt liegt und der bisher (was für ein Segen) in keinem Reiseführer auftaucht. Das erscheint uns wie ein schöner Nachmittagsausflug und genau das haben sich viele Einheimische auch gedacht. Noch dazu ist Wochenende und Feiertag (irgendein muslimisches Opferfest an dem bereits früh morgens in den Moscheen Kühe geschlachtet wurden, um das Fleisch an Bedürftige zu verteilen). Alle haben Zeit und Muße. Templer Park entpuppt sich als ein in üppiger Natur eingebetteter Wasserfall mit mehreren Ebenen zum … naja nicht schwimmen, aber „im-Wasser-Sitzen“. Keine Hinweisschilder, keine Weißhäute. Nur Familien, Jugendliche, viele Kinder und ambitionierte Picknicker, die ihren Fressalien-Rollkoffer mit Reis und allem PiPaPo die Treppen hochhiefen. Sie haben, genau wie wir die tiefe Hoffnung, noch irgendwo einen Platz zu finden, bevor sie der Hitzeschlag trifft. Auf höchster Ebene haben wir Glück, nur keine Badesachen dabei. Ist aber nicht schlimm, denn unsere nackte Haut wäre hier im muslimischen Malaysia, wo sogar einige Männer in normaler Kleidung ins Wasser gehen und Frauen grundsätzlich nur in Sari, Saron oder Alltagskleidung (oder eben gar nicht), ein unanständiger Super-Touri-Supergau gewesen. Wir hüpfen also in voller Montur rein und nachdem sich ein Jugendlicher getraut hat, uns um ein Foto mit ihm und seinen Freunden zu bitten, haben wir ein kleines Blitzlichtgewitter ausgelöst und sind die nächste Stunde gut damit beschäftigt, wie die nassen Pudel für viele kleine Teeniegruppen zu posieren.

Den Rückweg verbringen wir phasenweise mit anderen Motorrad- und Scooterfahrern unter irgendwelchen Brücken, weil es plötzlich so stark regnet, dass nichts mehr geht. In Malaysia ist beginnende Monsunzeit, das heißt man ahnt nichts Böses, dann geht’s meist nachmittags brachial los. Da stehen wir also mit der ganzen Biker-Menge. Es wäre manchmal schön zu wissen, was die Motorradfahrer so denken, wenn wir die Helme abnehmen und sie uns neugierig mustern.

Zurück in Kuala Lumpur versuchen wir auf fabelhaft-laienhafte und selbstverständlich stets geschäftstüchtige Art, den Scooter für einen höheren Preis zu verkaufen, als den, welchen Indiana Jones bietet. Doch zwei Tage sind einfach nicht genug Zeit. Der blaue Flitzer geht zurück in die Cameron Highlands. Andächtig und fast ein bisschen traurig schauen wir ihm nach. Und der erste Monat unserer Reise geht zu Ende.

(Romy)

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