Fruchtbarkeitsguru, holländische Frohnatur, rätselhafter Glatzkopf – Begegnungen auf Penang

Wenn einem fliegende Kakerlaken, rauchende Fettbäuchige und fleckige Laken kurz vor Mitternacht in Empfang nehmen und alles andere geschlossen ist, dann sollte man die Augen schließen, schnell schlafen und schnell weiterreisen. Danke „Lucky Hotel“ (welch Ironie) in Sungai Petani. Jetzt also 12 Tage Malaysia, die nur noch besser werden können.

Wir bleiben fünf Nächte in Georgetown auf der Insel Penang. Die Stadt ist geprägt vom fidelen Little India und Chinatown. In letzterem kommen die meisten Rucksackreisenden unter, weil die Hotels dort am billigsten sind. Also wir auch. Zunächst haut einen in Georgetown die wunderschöne Architektur um, die von der britischen und portugiesischen Kolonialzeit zeugt. Bunte viktorianische Häuser mit hölzernen, hübsch geschwungenen Fensterläden, hohe Räume und schöne Steinböden. Mein Bild von Havanna, hier auf Penang, dazwischen Garküchen mit frischem Fisch und Rickshawfahrern.

Bezeichnend für das friedliche Miteinander der verschiedenen Bevölkerungsgruppen ist die Pitt Street. Moscheen, Kirchen und Tempel aller Variationen säumen die kleine Straße – ein ganz besonderes Sinnbild.

Penang hält viele unverhoffte Begegnungen für uns bereit. Da ist zum einen der indische Guru Jim, in dessen Hostel/Bistro wir während eines Platzregens stolpern und der das beste Frühstück und hervorragenden Kaffee serviert. Jim ist ein bisschen schräg und wohnt in Room Number 4. Er hat mit seinen 60 Jahren schon überall auf der Welt gelebt, weiß wie man die Menschheit vom ewigen Leid befreien kann (Nein falsch, die Menschen können sich eigentlich selbst befreien, aber wir wollen hier nicht ausschweifen) … Sir Jim, wie er sich selbst nennt, verrät dir jedenfalls wie das geht, wenn du zwei Nächte bei ihm in Room Number 4 bleibst – Freiwillige vor. Das ist der Gute:

Und hier ein Auszug seiner „Lebensweisheiten“:

Jim kann Frauen zu Fruchtbarkeit verhelfen und auch sonst hat er viele interessante und weise Lebenstheorien auf Lager. Weil er so unterhaltsam ist und der Kaffee so gut, kommen wir also jeden Tag. Frühstück geht immer – auch ohne Fruchtbarkeitsschnickschnack.

An Tag 3 kreuzt Hanneke aus Holland unseren Weg, die vorher bei ihrem Onkel im indonesischen Kloster zu Besuch war, die Sprache (Malayisch und Indonesisch sind sich sehr ähnlich) etwas spricht und mit der uns der Gesprächsstoff nicht ausgeht. Wir verbringen einen Tag zusammen, besuchen das (sehr sehr gute) Nationalmuseum mit Nationalgallerie, wandeln durch Little India und lassen uns ein Bindi (Pünktchen auf der Stirn) verpassen. Hanneke schlemmt mindestens genau so gerne wie wir, sodass der Nachtmarkt zu einer kleinen Erklär- und Erkundungstour wird. Wir schmieden schon Kuala Lumpur Pläne, da wir dort ungefähr zeitgleich sein werden und sich so der Abschied noch ein wenig hinauszögern lässt.

Hanneke bekommt unsere Ricki-Geschichte brühwarm zum Frühstück präsentiert… Und die geht so: Ricki ist ein Deutscher, der uns aus einer vermeintlich dunklen Gasse „rettet“, die angeblich „nicht safe“ ist, weil Rotlichtmilieu. „Hier geht’s gleich los, hier geht’s gleich los. Noch 15 Minuten, dann müsst ihr hier weg sein“ sagt er, aber irgendwie passiert da nichts und das besagte Viertel befindet sich eigentlich ganz wo anders. (Das erklärt uns natürlich Guru Jim.) Ricki, 50 Jahre, wohnt seit drei Jahren auf Penang und ist schon wesentlich länger in und um Asien unterwegs. Eigentlich ist er Arzt, aber das läuft – warum auch immer – nicht so gut hier, also ist er auch Freelancer und macht was mit Werbung. „Danone und so.“ Ricki lag erst kürzlich sieben Monate im Koma, weil Motorradunfall. Jetzt ist er offensichtlich wieder mopsfidel. Seine erste Frau ist verstorben, seine zweite Frau, kitzhafte 23 Jahre, spricht mindestens acht Sprachen und ist – wie sollte es anders sein – Pianistin. Ricki hat mittlerweile elf Kinder aus beiden Ehen angehäuft. Sie wohnen in einer eigenen Hoteletage, beschäftigen eine deutsche Köchin, die zu alt ist, als dass sie es übers Herz brächten ihr zu kündigen. Er lädt uns sofort zum Essen ein – Ricki wohnt in der Moonlight Villa 6, aha. Die Wegbeschreibung dahin spult er so schnell ab, wie den gesamten Selbstmonolog, wir haben also im Grunde keinen Plan. Irgendwer würde uns jedoch immer die Tür aufmachen, weil bei so vielen Leuten ist immer jemand wach ist, also können wir das nächste mal, wenn wir in Town sind auch bei ihm übernachten. Nach 15 Minuten, passiert in der Gasse also noch gar nichts, er gibt uns noch allerhand Penang-Tipps (unter anderem Starbucks und Subway in einer Mall – was für ein unschätzbar wertvoller Tipp!!), Hennis Kinnlade steht seit einer viertel Stunde regungslos offen. Wir verabschieden uns bald und schnell und müssen erst mal bei einem Bier die vielen Fakten sortieren und brainstormen. Sensationell! Das hier ist also nur ein Ausschnitt von dem Ausschnitt, an den wir uns überhaupt erinnern können. Ricki treffen wir zufällig auf der Straße noch zwei Mal. Als wir in den Highlands von Malaysia drei Tage später einen ähnlich anmutenden Glatzkopf sehen, zucken wir zeitgleich zusammen. Wir fragen uns noch immer, ob Ricki ein Blender oder Geschichtenerzähler, ein gewöhnlicher Weltenbummler oder ein lieber Verrückter ist. Hat er mehrere Persönlichkeiten oder ist er einfach nur herrlich anders? Erzählt er jedem das gleiche und das jeden Tag? Rätsel über Rätsel. Das nächste Mal auf Penang, in der Moonlight Villa und in einem anderen Leben werden wir es herausfinden.

(Romy)

1 thoughts on “Fruchtbarkeitsguru, holländische Frohnatur, rätselhafter Glatzkopf – Begegnungen auf Penang

  1. Ich hau mich weg…

    Aber Jim hat recht! yesterday is history- tomorrow is a dream- today is reality…

    Schlaues Kerlchen! Freu mich schon auf den nächsten Eintrag! :)))

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