Tod durch Versüßung

In Chumphon haben wir den süßesten Cocktail der Welt getrunken. Die Süße war so extrem, dass wir weder Alkohol oder irgend eine andere Zutat raus geschmeckt haben und sich unweigerlich alle Gesichtsmuskeln verkrampften. Es war auch schwer unsere Empfindungen zu verheimlichen und gute Miene vorzutäuschen denn gleich nach dem ersten Schluck war klar: Diese Getränke kriegen wir nicht runter. Erschwerend kam hinzu, dass wir diese beiden Jungs, die anscheinend ganz neu im Cocktail-Geschäft waren, sofort in unser Herz geschlossen hatten. Das dunkle Holz ihrer kleinen, halbkreisförmigen Bar glänzte wie neu. Davor hatten sie ein kleines Tischchen mit seidener Tischdecke, bunten Blüten und verschiedenen Vorzeige-Cocktails drapiert. Die Plastikstühle und -tische sahen aus wie gerade frisch ausgepackt – (jugendliche) Liebe zum Detail.

Die Jungs und ihre edle Sirup-Kollektion.

Die Jungs (vielleicht 16 Jahre alt und eine Taille so breit wie mein Oberschenkel) wuselten um uns herum, schienen aufgeregt und unschlüssig. Sie kredenzten uns den gewünschten „Überraschungscocktail“, dem es an jeglicher Geschmacksästhetik mangelte. Die moralische Zwickmühle in der wir uns nun befanden schien aussichtslos. Auf der einen Seite diese entzückenden Jungs, andererseits dieses Gesöff, das unsere Münder, Speiseröhren und Mägen nach und nach zu kleisterte. „Tod durch Versüßung“ drohte, wenn wir nicht bald eine lebensrettende Entscheidung trafen. „Can we have some water, please?“ „Oh yes, no proplem.“ Geniale Idee von Romy! Ungeduldig füllten wir das verdünnende Naß in unsere Cocktails. Dann der erste Schluck. Das nächste an das ich mich erinnere, als ich das Bewusstsein wiedererlangte, war Romys glasklare Ansage: „Henni, der Cocktail ist noch süßer als vorher! Das muss Zuckerwasser in der Flasche sein. Wir müssen etwas unternehmen. Wenn sie nicht hinschauen, schüttest du die Cocktails in die Flasche zurück oder in die Abflussrinne hinter dir.“ Gesagt – getan. Mein roter Cocktail landete in der durchsichtigen Plastikflasche, der blaue im Abfluss. Zahlen, gehen und endlich lachen dürfen. Wir wollten nur noch weg. Die unter meinem Rock versteckte Flasche musste nur noch unbemerkt in meiner Tasche verschwinden. Doch da wollten die Jungs ihr Zuckerwasser (ja, das war es wirklich!) auch schon wieder haben. Da stand ich nun, mein Kopf so rot, wie der Cocktail in der Flasche. Auf frischer Tat ertappt. In Deutschland ein Grund die Bar zukünftig im Umkreis von 50km zu umgehen. In Thailand, dem Land der Take-Away Speisen und Getränke, gar nicht so schlimm. Die Jungs retten uns unschuldig-galant aus der peinlichen Misere: „Yeah okay okay, we understand, Cocktail to go, take it, take it.“ Everybody happy.

Und wenn sie nicht zu Zuckerkristallen erstarrt sind, dann mixen und süßen sie noch heute…

(Henni)

2 thoughts on “Tod durch Versüßung

  1. Ja der Wahnsinn, Zuckerwasser als Cocktail… Na ich weiß besseres. ;-)

    Euer Reisebericht ist total spannend und lustig geschrieben. Man versetzt sich sofort in das Zuckerwasser hinein, sodass es mich gleich schüttelt.

    Da packt mich sofort das Fernweh nach Abenteuer pur.

    Deine Tante Sylvia.

  2. Hi ihr 2 Weltenbummler, hab mir gerade den Tatort “ Tod durch Versüßung“ reingezgen. Hatte noch kurz vorher einige traurige Gedanken die blitzartig vertrieben wurden. Köstlich, ich habe Tränen gelacht. Ich freue mich auf die nächsten Berichte und Fotos und wünsche euch eine wunderbare Zeit mit traumhaften Momenten und einem riesigen Speicherplatz im Kopf. Liebe Grüße Karin K.

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